Selbstwahrnehmung im Tai Chi


Taiji wird auch als „Meditation in Bewegung“ bezeichnet. Ersetzen wir Meditation durch ’entspannte Aufmerksamkeit’ wird die Bedeutung deutlicher. Der Beobachter richtet sich von der äußeren auf die innere Welt. Der Verstand wird ruhig und der Alltagsstress rückt an die Peripherie des Daseins.

Viele Menschen in der modernen und sogenannten zivilisierten Welt haben den Bezug zu sich und ihrem Körper verloren. Wir  verstehen uns selbst, unsere Nächsten und unsere Umwelt nur noch durch den Kopf. Wir glauben so sein zu müssen, wie uns die anderen gerne sehen wollen und so spielen wir eine Person, die wir nicht sind. Das Gefühl für sich selbst, für das eigene Zentrum ist verloren. Wir entsprechen den Erwartungen anderer und in der Angst, nicht erkannt zu werden, ordnen wir uns unter, lassen uns beherrschen oder beherrschen andere.

Taiji sollte helfen, wieder zu sich zu finden. Im Wujiquan ist das die erste Priorität.
Ein Lehrer, der nur darauf achtet, dass Formen etc. exakt ausgeführt werden, nimmt dem Schüler die Möglichkeit, selber zu forschen. Er setzt ihm immer nur wieder neue Grenzen, denen er sich unterordnen muss. Eine Form kann aber nur Handwerkszeug, ein Hinweis sein, um an sich zu arbeitet, um sein eigenes ’Original’ zu entdecken. Ein Mittel zum Zweck nur, nicht ein „so muss es sein“.

Als Kinder waren wir ’natürlich’. Wir hatten eine entspannte, aufrechte Haltung und einen gelassenen Geist. Diesen Zustand können wir wiedererlangen. Wir brauchen dabei eigentlich nichts neues dazu Lernen, sondern eher verlernen wir wieder: nämlich die alten Muster, Spannungen aufzubauen, Fehlhaltungen einzunehmen und uns über dies oder das den Kopf zu zerbrechen. Wujiquan zeigt den Weg vorwärts, zurück zur Quelle. Alles was wir im Wujiquan üben ist so angelegt, dass wir wie ein Kind agieren. Dieses Wiedererfahren gepaart mit dem Wissen über das Tao macht unser Taiji aus und führt letztendlich zu einem tiefen Verständnis unserer selbst - der erfüllenden inneren Leere.